(geschrieben von VL Johann Westermayer anlässlich des Jubiläumsjahres 1987)
Vor über 1000 Jahren, um 987, wird Abstetten erstmals genannt. Markgraf LEOPOLD I. hatte mehrere Güter, die der Kirche von Passau gehörten, an sich gezogen. Darüber beschwerte sich Bischof PILGRIM beim Kaiser.
Zur Klärung der Angelegenheit fand in Tulln eine Versammlung statt, bei der Einwohner unter Eid aussagten, welche Güter vor dem Ungarnkrieg (907 n. Chr.) zu Passau gehört hatten. “Abbatesteti mit allem, was von Rechts wegen dazugehört” [1] finden wir in dieser Aufzählung. Der Ortsname rührt also von einem Abt her. Es handelt sich somit um eine klösterliche Gründung.
Aus dem Patrozinium St. Martin können wir schließen, daß es sich um eine jener Taufkirchen handelt, die nach der Niederwerfung der Awaren durch KARL DEN GROSSEN entstanden sind und denen ein weitläufiger Sprengel zugeteilt war.
Karl LECHNER leitet Abstetten von Kremsmünster her, weil dieses Kloster durch Schenkung König ARNULFS an das Hochstift Passau gefallen ist. So läßt sich mancher alte Besitz Passaus aus seiner Herkunft von Kremsmünster erklären. [2]
Aber auch die Klöster St. Emmeran in Regensburg und Niederaltaich werden von anderen Forschern im Zusammenhang mit Abstetten genannt.
In der nächsten Erwähnung Abstettens begegnen wir 1137 erstmals einem Pfarrer dieser Kirche. Bei einer Fürstenversammlung in Tulln schenkt DURINGUS, Pfarrer von Abstetten und Bruder des ALBERO VON POLHEIM, dem Kloster Garsten zwei Weingärten und einen Acker bei Herbstgraben unweit von Raipoltenbach, Gde. Neulengbach. [3]
Im 12. Jhdt. entstand die Pfarre Sieghartskirchen, um 1200 wurde Neulengbach und um 1250 die Pfarre Michelhausen abgetrennt. Trotz dieser Verkleinerungen war die Pfarre eine reiche Pfründe.
So genoss in den Jahren 1310 und 1311 Magister NIKOLAUS VON ÖSTERREICH, königlicher Notar und Schatzmeister, die Pfarrpfründe. Er war gar nicht Priester, sondern lediglich Diakon. [4]
Bald darauf muss der Bischof von Passau das Patronat wieder zurückgewonnen haben. 1324 stehen ihm die Einkünfte aus Abstetten zu, darunter auch die Dienste von der Wehre bei der Mühle. [3]
Eine interessante Persönlichkeit ist im 14. Jh. der Abstettner Pfarrer HANS VON TRAUN. Als sich 1368 die Passauer Bürger gegen ihren Bischof und weltlichen Herrn auflehnten, leitete HANS VON TRAUN die Verteidigung des Bischofs.
Schließlich verfolgte er die Aufständischen, die meisten von ihnen wurden getötet. Sein Testament aus 1379 ist uns überliefert. [5]
Im 15. Jh. wurde die Pfarre Abstetten vom Papst verliehen. Unter Papst SIXTUS IV., dem Erbauer der Sixtinischen Kapelle, sollte 1474 die Pfarre Abstetten nach deren Erledigung mit dem Heiligengeistspital außerhalb Wiens vereinigt werden. Es kam aber nicht dazu, denn der Papst verlieh die Pfarre gegen Zahlung von 30 Kammergoldgulden dem Paul WARN. [6]
Im 16. Jh. hielt die Reformation auch hier Einzug. So gehörte der Abstettner Pfarrer Moritz Kobitsch zu jenen 19 Priestern des Viertels ober dem Wienerwald, die 1559 ein “Bekhantniss” unterzeichneten. [7]
Darin verwarfen sie die Tradition, die Beichte, das Fegefeuer, die Anrufung der Heiligen und das Fasten.
Der damalige Abstettner Kaplan Blasius HAYDN war einer der ersten Jünglinge, die in Wittenberg studiert hatten und reformatorisches Gedankengut in ihre Heimat brachten.
Unter Pfarrer Thomas HEISS wurde der lutherische Geist vollends in Abstetten eingeführt.
Sein Nachfolger Michael HAGENBUECHER musste bei seinem Amtsantritt einen Revers unterschreiben, dass er nach den Satzungen der römischen Kirche lehren und nach den Vorschriften des Konzils von Trient leben werde.
Damals begannen die Auseinandersetzungen mit den evangelischen Prädikanten von Judenau. Der Streit zog sich lange hin.
Unter Pfarrer Christoph VILLANUS erschütterte im Jahre 1590 ein heftiges Erdbeben die ganze Gegend und brachte die Abstettner Kirche zum Einsturz. Sie war für den Gottesdienst nicht zu gebrauchen.
Der Judenauer Schlossherr Helmhardt JÖRGER schaltete schnell. Eiligst ließ er auf dem Schlosswall eine neue Kirche errichten.
Schon ein Jahr nach dem Beben konnte darin Gottesdienst gehalten werden, während in Abstetten kaum etwas gemacht worden war. So hatte die evangelische Kirche in Judenau nun größeren Zulauf.
Der Kirchenbau in Abstetten wurde 1596 unter Pfarrer Jakob SCHWENDTNER vollendet. [8]
Die Gegenreformation begann sich schon in der Amtszeit dieses Pfarrers durchzusetzen.
Für die Betreuung der Filiale Asperhofen wurde in Abstetten ein eigenes Reitpferd gehalten. Ebenso förderte Pfarrer Petrus Mengin von Trauersara die Kirche in Asperhofen besonders. Unter ihm begann 1628 die Führung der Matriken.
1645 wurde die Pfarre Abstetten mit der Pfarre Tulln vereinigt. Diese Konstruktion wurde getroffen, um die Zehenteinkünfte der Passauer Weihbischöfe zu verbessern, die in Tulln ihren Sommersitz hatten.
Der Vikar von Abstetten musste aber einen beachtlichen Sprengel betreuen: Neben der heutigen Pfarre Abstetten noch Judenau, Asperhofen und zeitweise auch Würmla und Murstetten.
Für diesen Dienst hatte der Vikar Kapläne und Kooperatoren zur Verfügung. Auch Mönche aus Tulln und Neulengbach halfen aus.
Am 31. Juli 1683 erlebte Abstetten einen Überfall türkischer Streifscharen. Pfarrvikar MERZ und sein Kaplan ergriffen die Flucht. Kirche und Pfarrhof wurden in Brand gesteckt.
Der Wiederaufbau verzögerte sich, weil nach 1683 die Bezüge des Pfarrvikars gekürzt wurden.
In seinem Todesjahr 1695 gründete Vikar MERZ die Bruderschaft „Zur ewigen Anbetung der hl. Eucharistie”. [9]
Unter Vikar Bernhard UMBAUR konnte Ende 1697 der Kirchturm mit Hilfe privater Zuschüsse vollendet werden.
Wahrscheinlich aus Geldmangel erhielt er aber keinen Zwiebelhelm als Bekrönung, sondern wurde mit einem relativ flachen Zeltdach abgeschlossen.
Im Laufe des 18. Jhdt. bekam die Kirche ihre jetzige Inneneinrichtung.
Ausdruck des blühenden religiösen Lebens dieser Zeit war auch die Einsiedelei am Waldrand südlich von Abstetten. Der dort lebende Eremit gehörte dem Franzisikanerorden an. Er half als Mesner und Schulgehilfe in der Pfarre mit.
Die Herzogin THERESIA VON SAVOYEN auf Schloss Judenau förderte diese Eremiten sehr. Die Reformen JOSEPHS II. bedeuteten für diese segensreiche Einrichtung das Ende.
Weiters wurden die zwei bestehenden Bruderschaften aufgelöst und ihr geringes Vermögen abgeliefert.
Durch die Gründung der Pfarre Judenau 1783 und die Umpfarrung von Streithofen nach Michelhausen bekam die Pfarre ihre jetzigen Grenzen.
Das Vikariat Asperhofen hatte schon einen eigenen Seelsorger.
1793 wurde Abstetten von einer Feuersbrunst heimgesucht, bei der nur ein Haus verschont blieb. Von den Glocken, die nach diesem Unglück gegossen wurden, ist die kleinste erhalten geblieben. Sie trägt die Inschrift: „MICH GOSS JOH. FIELGRADER IN WIEN ANNO 1793”.
Über die Ereignisse während der Franzosenkriege berichtet der Sieghartskirchner Pfarrer Johann Adam MIHM in seinen Annalen.
Im November marschierte Kaiser NAPOLEON I. mit seinen Truppen an Abstetten vorbei nach Wien. Auch beim Rückzug kam er wieder vorbei.
Im Frühjahr 1809 war das Tullnerfeld von Franzosen überflutet.
Diesmal ging es härter zu. Der Abstettner Pfarrvikar wurde öffentlich verhöhnt und am Leben bedroht. Jeglicher Widerstand führte zu heftigen Gegenreaktionen. Die Not nach diesem Schreckensjahr war groß.
Bedeutende Veränderungen brachte 1848 die Aufhebung der Grundherrschaft und 1850 die Gründung der Ortsgemeinde Abstetten mit den Katastralgemeinden Abstetten, Ranzelsdorf, Gollarn, Einsiedl, Dietersdorf und Loiberdorf (seit 1928 Plankenberg). Das Gemeindegebiet deckte sich mit dem Pfarrsprengel.
Alljährlich fanden Manöver des 49. Linienregiments in der Gemeinde statt. Auch Kaiser FRANZ JOSEPH I. und Kronprinz RUDOLF nahmen daran teil.
Eine große Leistung der Gemeinde war der Bau des neuen Schulhauses 1876. Das alte Schulhaus befand sich neben der Kirche.
Eine erste Nachricht über die Schule stammt aus 1599. Der Lehrer war vom Pfarrer abhängig und hatte eine Menge Aufgaben in der Kirche zu erfüllen.
In Abstetten war im 18. Jhdt. eine gewisse Erleichterung durch die Mithilfe des Einsiedlers und die Schulgeldstiftung der Herzogin THERESIA VON SAVOYEN gegeben.
Im 19. Jhdt. waren die Zustände im alten Schulhaus schon unerträglich geworden. Oberlehrer Franz GINDLER beklagt diese in der Schulchronik. Die schlechten baulichen Verhältnisse führten zum Neubau.
In der Folge nahm die Schule unter der Führung eifriger Lehrer eine sehr gute Entwicklung. Eine umfangreiche Bücherei und Lehrmittelsammlung wurden angelegt. Beide gingen 1945 zugrunde.
Die Lehrer waren auch um die Pflege der Kirchenmusik bemüht. 1884 war von Franz STROMMER aus Wien eine neue Orgel mit zehn Registern aufgestellt worden. Zahlreiche handschriftliche Noten im Musikarchiv der Pfarre weisen die einzelnen Lehrer aus.
Mittlerweile war die Zeit reif geworden für eine neuerliche Pfarrerhebung. Seit 1784 waren die Gründe für die einstige Vereinigung mit Tulln weggefallen. 1899 wurde das Vikariat Asperhofen von Tulln unabhängig.
1901 wurde Abstetten zur Pfarre erhoben. Um 1910 erfolgten noch einige Änderungen in der Kirche. So wurde der Barocktabernakel am Hochaltar durch einen neubarocken Tabernakel ersetzt. Reliquiare und eine Reihe Barockleuchter wurden entfernt. Neue Kreuzwegbilder nach FÜHRICH wurden aufgehängt.
Der erste Weltkrieg brachte 26 Männern den Tod, die Ablieferung der Glocken und des Orgelprospekts sowie bittere Not.
Einen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bedeutete die Regulierung der Großen Tulln 1925 bis 1927. Die jährlichen Überschwemmungen waren dadurch ausgeschaltet, doch war der Eingriff in Natur und Landschaftsbild beträchtlich.
Die politische Entwicklung erfasste mit ihrer zunehmenden Radikalisierung auch Abstetten. 1934 nahmen an der Fronleichnamsprozession erstmals die Sturmschärler teil. Patriotische Feiern und Luftschutzübungen deuteten die kommenden Dinge an.
So jubelten am 15. März 1938 die Abstettner, als Adolf HITLER auf der Reichsstraße durch die Gemeinde fuhr.
Bei der Volksabstimmung vom 10. April 1938 stimmten alle Bewohner mit „Ja“. Oberlehrer MOLL wurde im Sommer in Pension geschickt. Pfarrer KLINGENBRUNNER, der zu den Vorgängen nicht schwieg, musste wegen einer Anzeige vor die GESTAPO nach St. Pölten. Mit einer Verwarnung konnte er heimkehren. 1939 wurde er seines Amtes enthoben.
Der Krieg begann. Nach und nach mussten die Männer einrücken, Pferde wurden für den Krieg eingezogen. Gefangene sollten die fehlende Arbeitskraft der Männer ersetzen.
Am 7. April 1945 um 16 Uhr kamen die Russen nach Abstetten.
Die Bevölkerung war in die Keller geflüchtet. Die Kampfhandlungen forderten Tote unter der Bevölkerung wie auch unter den russischen Soldaten. Plünderungen, Entführungen und Versorgung der Russen brachten Leid und Elend.
Mit dem Kriegsende am 8. Mai normalisierte sich die Lage. Die Aufbauarbeit setzte ein. Zu einer Manifestation der Überwindung von Nationalsozialismus und Krieg wurde die Glockenweihe am 5. Juni 1949 in Abstetten, an der auch der Landeshauptmann teilnahm.
Der wirtschaftliche Aufschwung führte zu einer regen Bautätigkeit vor allem in den Katastralgemeinden Dietersdorf und Plankenberg, gleichzeitig aber zu einem starken Verlust an historischer Bausubstanz und bodenständigem Baubewußtsein, die Kommassierung schuf die Voraussetzungen für den Einsatz moderner landwirtschaftlicher Geräte, veränderte aber das Landschaftsbild und den ökologischen Haushalt entscheidend, was in den letzten Jahren immer deutlicher und unangenehmer zu spüren ist.
Durch die Gemeindereform wurde am 1. Jänner 1972 die Gemeinde Abstetten mit Sieghartskirchen vereinigt. Im selben Jahr wurde im Schulhaus ein Kindergarten eingerichtet.
Schließlich wurde 1975 die Volksschule aufgelöst. Der Sog der Großstadt ließ das dörfliche Leben immer mehr verarmen. Dem steuern die neu gegründeten Verschönerungsvereine entgegen.
Literaturliste:
[1] HEUWIESER, M. (Hg.). Die Traditionen des Hochstiftes Passau, 1930, S. 79
[2] LECHNER, K.: Geschichte des Tullner Bezirkes in der Karolingerzeit. In: Heimatkalender des Tullner Bezirkes, 1953, S. 96
[3] MEILER, A.: Regesten zur Geschichte der Markgrafen und Herzöge Österreichs aus dem Haus Babenberg. Aus Urkunden und Saalbüchern. Wien 1850, 25 f.
[4] PLESSER. A.: Zur Kirchengeschichte des Viertels ober dem Wienerwald vor 1627. In: Geschichtliche Beilagen zu den Consitorialcurrenden XV., St. Pölten, 1960 S. 1
[5] Urkundenbuch des Landes ob der Enns. IX. Band, 1906, S. 76 f.
[6] siehe PLESSER, S. 3
[7] KERSCHBAUMER, A.: Geschichte des Bisthums St. Pölten. 1876, 1. Band.
[8] WEIGELSPERGER, J.: Geschichtliche Beiträge zu der Pfarre Abstatten. In: Geschichtliche Beilagen zu den Consistorialcurrenden I. Band, St. Pölten 1877, S. 16
[9] siehe WEIGELSPERGER, S. 16
weitere Informationen auf der Seite der Marktgemeinde Sieghartskirchen